Nachdem wir die Unterwasserpassage wieder sicher durchquert hatten, wobei ich mir meinen Umhang an einer Stelle einriss, gingen wir zurück zum Tempel der Brigh. Ich wollte zwar umgehend einen Schneider aufsuchen, weil ich es als ungehörig finde, mit beschädigter Kleidung einen Tempel – selbst den einer fremden Göttin – zu betreten und weil ich es allgemein hasse, mich mit Kleidung unter Menschen zu begeben, die nicht sauber oder gar beschädigt ist. Meine Gefährten sahen das, wie wohl nicht anders zu erwarten, nicht ein, so dass ich mich bemühen musste, den Riss so gut es eben ging zu verbergen. Im Tempel trafen wir auf eine seltsame blaue Gestalt, die sich Aldoriel nannte und sich uns offenbar anschließen wollte. Meine Fragen, wie denn sein seltsames Aussehen zu erklären sein, ignorierte er (über das Geschlecht war ich mir zu diesem Zeitpunkt noch unsicher). Er warb für sich, indem er behauptete, er sei ein großer Zauberer und würde alle unserer Feinde magisch hinwegfegen. Nun ja, wir nahmen ihn erst mal auf. Er würde sicher bald beweisen müssen, ob er nur aufgeschnitten hatte oder ob er uns wirklich eine Hilfe sein würde.
Der Priester empfing uns freundlich und bewirtete uns mit Kaffee, den ich seit meinem Weggang aus dem Kloster nicht mehr genossen hatte. Meine Gefährten schienen dieses Getränk gar nicht zu kennen. Aus welchen abgelegenen, rückständigen Gegenden sie wohl kommen mochten? Wir berichteten, was uns widerfahren war und zeigten Keit (das war der Name des Priesters) die Silberscheiben, die wir erhalten hatten. Er erklärte uns, dass diese in Fackel als inoffizielles Zahlungsmittel gelten und der Wert pro Scheibe etwa zehn Goldmünzen betragen würde. Es gäbe auch Scheiben, die mit einer Art „Energie“ aufgeladen seien und schwach leuchten würden. Diese wären dann zehn Mal so viel wert. Angeblich gäbe es in der Silberkuppe eine Möglichkeit, nur noch schwach leuchtende Silberscheiben wieder aufzuladen. Die Karten mit dem braunen Streifen hielt er für eine Art Schlüssel. Es solle sie in verschiedenen Farben geben. Er sprach auch von einer besonderen Art Metall, dem so genannten „Sternenmetall“.
Als wir aufbrachen, um uns zurück in die Gießerei, die nun wohl so etwas wie unser Hauptquartier war, klagten einige von uns über Kopfschmerzen. Dies konnte natürlich durchaus vom für einige ungewohnten Kaffeegenuss kommen, aber vielleicht hatte das Erlöschen der Fackel ja auch noch andere negative Auswirkungen… Wir klopften an der Tür der Gaststätte und Vel öffnete uns. Morbus erzählte ihr, dass ihr Onkel tot sei. Welch ein unangemessener „Scherz“, wussten wir doch noch gar nichts über dessen Schicksal. Offenbar wohnte Morbus eine seltsame Art von Humor inne. Trotz dieses Verhaltens nahm uns Vel wieder auf. Es zeigte sich, dass sie sehr geschickt im Umgang mit Nadel und Faden war. Sie reparierte kunstvoll meinen Umhang, so dass ich mich wieder auf die Straße trauen konnte. Danach servierte sie uns gute Hausmannskost, die ich in ihrer Gaststätte anständig mit Besteck und Serviette zu mir nehmen konnte. Anschließend ließ ich den in meinem Darm entstandenen Winden freien Lauf. So konnten die anderen lernen, wie ein vornehmer Narosyaner seinem Behagen über das genossene Mahl seinem Gastgeber gegenüber ausdrückt.
Während unseres Mahls tauchte ein – wie ich zunächst dachte – weiterer Gast auf. Er stellte sich uns als Garmen Ulreth vor. Er wollte aber nicht mit uns speisen, sondern er machte uns darauf aufmerksam, dass er der Besitzer der Silberscheibenhalle sei, die – wie wir bereits wussten – die Spielhölle der Stadt war. Er lud uns ein, sein Etablissement zu besuchen, aber das kam für kultivierte Humanoide wie mich natürlich nicht in Frage. Nach einer ruhigen und erholsamen Nacht brachen wir am nächsten Morgen wieder zum Tränenteich auf, um unsere Mission fortzusetzen. Keit verlieh uns wieder die Fähigkeit, unter Wasser zu atmen. In der Unterwasserpassage achtete ich diesmal darauf, mir meine Kleidung nicht nochmals zu beschädigen. In der Passage brachten wir einen Seilsteg an, damit wir es beim nächsten Mal leichter haben würden.
Bald darauf standen wir vor der seltsamen runden Tür, die weiter ins Innere dieses seltsamen Ortes führte. Glücklicherweise war sie offen, denn es waren weder Türflügel, noch Einrichtungen zum Öffnen oder Schließen zu sehen. Hinter der Tür ging ein Gang nach links und rechts, der aber auf beiden Seiten nach wenigen Metern verschüttet war. Der Weg nach geradeaus war zwar auch offen, aber dort stand regungslos ein Roboter, wie wir ihn im Hause von Vel schon einmal besiegt hatten. Aldoriel sagte: „Wir sollten auf der Hut sein!“ Gut, dass wir ihn dabei hatten, darauf wären wir sonst wohl nicht gekommen. Mir war zwar nicht an einem Kampf gelegen, weil hier immer die Gefahr bestand, dass Kleidung oder Ausrüstung beschädigt oder gar beschmutzt werden, aber dennoch ging ich vorsichtig auf die Maschine zu. Als ich an ihr vorbeigehen wollte, fing sie an, sich zu bewegen und uns anzugreifen. Meine Gefährten standen etwas abseits, da sie nicht mit vorgegangen waren. Auf sie verschoss der Roboter ein schimmerndes Netz, so dass sie mir nicht helfen konnten. Ich wusste ja schon, dass diese Roboter keine besonders guten Kämpfer waren und zerstörte die Maschine. Bei meinem letzten Hieb verspritzte dieses bösartige Ding allerdings Öl, so dass ich gezwungen war, von nun an mit verschmutzten Beinkleidern dieses Abenteuer fortzusetzen. Das war empörend! Da half es auch nichts, dass meine Kameraden sagten, dass das so ja besser zu einem Barbaren passen würde. Im Gegenteil. Mit dieser Bezeichnung für meine Person wollte ich eigentlich nichts mehr zu tun haben.
Im nächsten Raum fanden wir immerhin zwei noch schimmernde Silberscheiben. Eine davon setzte ich in die passende Vertiefung auf der Innenseite meines Schildes ein. Ich stellte fest, dass er dadurch plötzlich so gut wie nichts mehr wog, was mich deutlich beweglicher machte. Weiter konnten wir allerdings zunächst nicht vordringen, weil die nächste Tür durch eine seltsame metallische Vorrichtung verschlossen war. Es gab aber neben der Tür ein Kästchen mit einem Schlitz und da uns Keit gesagt hatte, dass die seltsamen Kärtchen so etwas wie Schlüssel seien, versuchten wir, die Tür damit zu öffnen. Die Kärtchen passten zwar hinein, aber die Tür öffnete sich dennoch nicht. Erst nachdem wir den Raum nochmals durchsucht hatten, fanden wir ein Kärtchen mit einer schwarzen Markierung und als Garth dieses Kärtchen in die Öffnung steckte, öffnete sich die Tür auf kuriose Weise. Das Metall verschob sich von der Mitte ausgehend und verschwand dann ringförmig im runden Türrahmen. Der nächste Raum war sehr klein und führte zu einer weiteren Tür. Links und rechts standen zwei äußerst seltsame Maschinen, aus denen schnabelartig gebogene Rohre herausschauten. Da die gegenüberliegende Tür offen war, ging ich vorsichtig durch den Raum hindurch. Die Maschinen reagierten nicht darauf.
Bisher hatten wir den Eindruck, durch seltsam fremdartige Räume mit kuriosen Maschinen zu gehen, aber nun änderte sich dieses Bild komplett. Ich betrat eine Wüstenlandschaft. Der Himmel war schwarz und es war nicht zu erkennen, ob es sich um eine künstliche Decke handelte, oder ob wir uns tatsächlich im Freien befanden. Ich konnte darüber allerdings nicht lange nachdenken, da ich von einer seltsamen Kreatur angegriffen wurde. Sie hatte einen Körper mit vielen Löchern darin. Aus vielen dieser Löcher ringelten sich längere und kürzere Tentakel hervor. Da meine Gefährten noch im Raum mit den Maschinen waren, musste ich dieses Wesen alleine niederkämpfen, was mir, Iomedae sei Dank, auch relativ leicht gelang. Leider erlitt dabei meine Hose nun zu allem Überfluss noch einen Riss, so dass ich nicht umhin kommen würde, mir in Fackel sofort neue Beinkleider zu besorgen. So konnte ich doch hier nicht arbeiten.
Während wir die Spuren, die wir im Sand fanden noch untersuchten wurden wir von zwei Skeletten angegriffen. Von Untoten hatte man ja schon mal gehört, aber diese Wesen hatten vier Arme! Trotz dieses Umstandes erwiesen sie sich als leichte Gegner und sie konnten uns nicht aufhalten. Wir gingen an der Höhlenwand entlang, um uns nicht zu verlaufen. Inzwischen glaubte ich, dass wir nicht im Freien, sondern in einer sehr großen Höhle waren. Damit würde uns ein Weg parallel zur Wand wieder zu unserem Ausgangspunkt zurückführen. Wir trafen unterwegs noch einige dieser Skelette, aber sie alle konnten uns nichts anhaben. An einem Punkt etwa gegenüber der Tür, durch die wir die Wüste betreten hatten, trafen wir auf eine weitere runde Tür. Dahinter befand sich ein von Blitzen durchzuckter Raum mit seltsamen Apparaturen. Es war nicht ungefährlich, diesen Raum zu durchqueren, das konnte jeder sehen, aber wir wagten es dennoch. Aber glücklicherweise erlitten wir nur leichte Verletzungen, die nicht bluteten und ich konnte erleichtert feststellen, dass die Blitze nicht stark genug waren, um meine Kleidung zu beschädigen.
Durch eine weitere Tür betraten wir einen seltsamen Raum, der auch wieder mit unerklärlichen Apparaturen ausgestattet war. Ein Pult mit bunten, leuchtenden Glassteinen, die darin eingelassen waren, erregte das besondere Interesse von Madec, der begann, auf den Steinen herumzudrücken. Dies blieb nicht ohne Folgen. Als erstes erschien auf einem Metalltisch eine Art leuchtende Landkarte. Bei genauerem Hinsehen konnten wir erkennen, dass es sich um ein Abbild der Wüstenlandschaft handelte, die wir gerade durchquert hatten. Als Madec einen weiteren Stein berührte, ertönte plötzlich ein sehr lautes Summen, das nicht wieder aufhörte. Es befand sich in dem Raum auch eine leuchtende violette Säule, die für mich aussah, wie ein verkleinertes Abbild der Fackel.
Da nichts weiter passierte, drangen wir weiter vor. Plötzlich griff uns ein Wesen an, das aussah wie die vierarmigen Skelette. Es hatte noch Fleisch auf den Knochen, das aber verrottete und teilweise auch schon abgefallen war. Wir hatten es hier offensichtlich mit einem Zombie dieser Gattung zu tun. Zu unserer Überraschung erwies sich dieses untote Wesen aber als ein hartnäckiger, gefährlicher Gegner und wir hatten unsere liebe Not, die Oberhand zu behalten. Auch ich verletzte mich schwer bei diesem Kampf. Viel schlimmer aber war, dass die Kreatur sterbend auf mich fiel und meinen Umhang verschmutzte. Er stank nun nach Tod und Verwesung. Wie sollte ich das nur wieder sauber kriegen? Ich konnte nur hoffen, dass Vel auch in dieser Hinsicht eine gute Hausfrau war…
Nun konnten wir uns umsehen. Es gab einen großen Tisch, der von seltsam aussehenden Stühlen umgeben war. Ein Fenster gab den Blick auf die Wüstenlandschaft frei, durch die wir gekommen waren. Es gab zwar noch weitere Türen, aber wir entschlossen uns, zunächst nach Fackel zurückzukehren. Ich drängte auch darauf, brauchte ich doch dringend neue Hosen und auch mein Umhang musste gereinigt werden. Also gingen wir zurück nach Fackel, berichteten dort, was uns widerfahren war und machten Besorgungen. Ich kaufte mir vorsichtshalber zwei Hosen. Eine aus Leder für die weitere Erforschung der Katakomben von Fackel. Nach langer Suche fand ich einen Laden mit Mode aus Narosyan. Die Auswahl an Farben und Accessoires war wirklich ausgesprochen gut. Wer hätte das in Fackel erwartet? So konnte ich mir für das Ausgehen in der Stadt eine sehr schöne weinrote Hose mit goldenen Applikationen kaufen. Ich dachte zunächst nicht daran, dass ich ja auch farblich passende Schuhe brauchen würde, aber man konnte ja nicht alles haben. Schließlich mussten wir uns ja auch ausruhen, um dann unsere Expedition fortzuführen. Die anderen hatten inzwischen ein paar Heiltränke besorgt. Ich wusste ja inzwischen, dass es ihnen egal war, wie sie rumliefen. Zu meiner großen Freude hatte Vel meinen Umhang tatsächlich sauber bekommen, so dass ich mich nun wieder wohlfühlen konnte.
Nach einer ruhigen Nacht und dem üblichen Vorlauf im Tempel der Brigh, erreichten wir wieder den Raum, in dem uns der Zombie angegriffen hatte. Es zeigte sich, dass sich hinter der nächsten Tür eine ganze Flucht von Räumen befand. Einige schienen zum Wohnen gedacht zu sein, andere hatten eher einen funktionalen Charakter, wobei wir diese Funktion in keinem Fall ergründen konnten. Wir fanden blutige Schleifspuren und wurden von seltsamen kleinen blutigen Wesen angegriffen. Ich achtete diesmal sehr darauf, dass meine Sachen sauber blieben und da diese Monster nicht sehr stark waren, gelang mir das auch. Wir fanden auch weitere Pulte mit bunten Steinen, eine der Schlüsselkarten und einen Tresor mit Silberscheiben. Unsere besondere Aufmerksamkeit erregte eine Sammlung von 120 Tuben, die mit 12 Farben gekennzeichnet waren. Auf deren Zweck konnten wir uns keinen Reim machen. Ein Raum war besonders schmutzig, teilweise von Schimmel bedeckt und voller Gestank, so dass ich vorschlug, dort zunächst nicht herein zu gehen. Aber meine Gefährten machte das wohl eher nichts aus und so durchsuchten wir auch diesen widerlichen Ort. Wir entdeckten eine Art fleischfressender Pflanze, deren Gestank uns Übelkeit verursachte, die Morbus dann aber, indem er Wesen aus einer anderen Dimension beschwor, vernichten konnte. Diese unterirdische Welt wurde immer seltsamer. Es wunderte mich nicht, dass die Expeditionen vor uns erfolglos waren. Auf unser eigentliches Ziel, die Fackel wieder in Gang zu setzen, hatten wir noch nicht den kleinsten Hinweis gefunden. Im Raum stand ja vor allem die Frage, was das überhaupt für ein seltsamer Ort war, in dem wir uns befanden.
Tagebuch eines Barbaren
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Kapitel 2 - Die Skelettwüste
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roscoe_rapid 16 Feb 2017 18:19
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